Als ich fröhlich plaudernd den Aufstieg zum Lac de Tseuzier in Angriff nehme, sehe ich zu meiner Rechten auf einem Hügel eine große Christusstatue. Nicht so groß wie Christus der Retter in Rio de Janeiroaber auch nicht so klein, dass man es in der Ferne nicht sehen könnte. Einige hundert Meter links davon befindet sich eine auffällige kleine Kirche. Es ist ein schönes Bild, das durch das beeindruckende Bergpanorama dahinter noch schöner wird. Dass ich tagsüber oft an dieses Bild denken werde, kann ich mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellen. Vor allem aber soll es ein schöner Rahmen für das Radfahren sein Crans-Montana. Wir bezwingen zu viert wunderschöne Pässe und kämpfen vor allem gegen die Hitze.

Nette Begegnung

Vor mehr als sechs Monaten hat die Mountain High ChasersErwin & Erwin, haben sich uns mit ihren inspirierenden Inhalten angeschlossen. Was sehr lustig ist: wir hatten und haben bis jetzt nur per E-Mail und Telefon miteinander gesprochen. Heute treffen wir uns am Fuße des Aufstiegs nach Tseuzier. Was mir in Erinnerung bleibt: Es ist, als ob wir uns schon seit Jahren kennen würden. Reibungslose Gespräche, wobei das Fahrrad oft die Verbindung herstellt. Tolle Geschichten über Aufstiege, Abenteuer und zwischendurch werden auch die schlechten Witze des Schriftstellers wieder hervorgeholt. Das ist ein guter Anfang.

Die Dammregion

Das Wallis ist einerseits bekannt für seine überwältigende Anzahl an Bergen. Hier findet man die meisten 4000er in der ganzen Schweiz. Ein weiteres Phänomen sind die Stauseen (und damit die Staudämme). Allein von Crans-Montana aus kann man viele Seen erreichen. Darunter der Lac de Moiry, der Lac des Dix und, das Ziel für unseren Vormittag, der Lac de Tseuzier. Alle Seen haben ihr eigenes Aussehen, aber Sie können darauf wetten, dass Sie oben nicht enttäuscht werden. Der Lac de Tseuzier wurde im Jahr 1957 angelegt. Das klare, blaue Wasser wird von einem riesigen, langen Damm gehalten, einem der längsten der Schweiz. Er ist Teil der Stromversorgung, dient aber auch als Speicherbecken für Notfälle.

Steil auf und ab

Radfahren in der Schweiz und speziell im Wallis unterscheidet sich von den normalen Alpen- oder Dolomitenanstiegen. Es ist relativ eng, es ist sehr steil und wegen der Lage in einem Tal hat man wahnsinnige Aussichten. Der Aufstieg zum Lac de Tseuzier ist keine Ausnahme. Er ist uneben und weist mindestens sieben bis acht Prozent auf. Oft schießt der Zähler in den zweistelligen Bereich. Die Straße windet sich nach oben und ist manchmal gerade breit genug für ein Auto und ein Fahrrad. Auf dem Weg nach oben stößt man auf eine Reihe von Tunneln, manchmal mit einer blinden Kurve. Das ist auch für die Abfahrt gut zu merken.

Offener Mund

Nach einem Anstieg von knapp 13 Kilometern erreichen wir die Spitze des Staudamms. Schon während der Fahrt haben wir mit offenem Mund auf die Aussicht gestarrt, aber oben angekommen, wiederholt sich das. Es ist immer etwas Beeindruckendes, auf einem solchen Stausee zu fahren. Die Kombination aus dem blauen Wasser, den Bergen im Hintergrund und dem tiefen Tal auf der anderen Seite sorgt dafür, dass man nicht genug sehen kann. In der Rangliste der schönsten Staudammaufstiege liegt sie knapp unter der Barrage d'Emosson, aber für mich ist sie ein knapper zweiter Platz.

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Kaffee-Mittagessen

Auf dem Gipfel des Lac de Tseuzier steht eine typische Schweizer Berghütte. Eine von denen mit einem schönen Raclette oder einer typischen "Walliser Käseplatte" zum Abendessen. Lustigerweise ist sie heute wegen Wassermangels geschlossen. Wir stürzen uns in den Abstieg in Richtung Dorf und kommen nach einigem Suchen zu einer Teestube/Boulangerie in Ayent. Die anwesenden Gäste sind bereits zum Wein übergegangen, aber wir gönnen uns einen guten Kaffee und lokale Köstlichkeiten. Die Gesellschaft von Erwin & Erwin tut uns gut. Was für ein schöner Start in den Tag! Nachdem wir das lokale Gastgewerbe gut gesponsert haben, trennen sich unsere Wege. Den Sanetschpass habe ich schon einmal gemacht, er steht bei den Mountain High Chasers auf dem Programm. Für uns steht eine Talüberquerung auf dem Programm. Es geht bergab Richtung Vercorin und Lac de Moiry.

Schweizer Aufstiege

Wenn man eine Steigung in der Schweiz charakterisieren darf, ist sie wahrscheinlich steil. Ganz abgesehen von all den Nebenstraßen in Dörfern, wo das Schild 20%, 25% oder sogar 27% lautet. Auch diesen Tag haben wir mit so einem schönen Warm-up begonnen. Bei den längeren Anstiegen sieht man, dass sie meist eine unregelmäßige Steigung haben. Es geht von flach auf fünfzehn und wieder zurück. Man kommt nie richtig in einen schönen Rhythmus. Für einen Anti-Bergsteiger wie mich ist das kein Spaß. Unser Nachmittagsprogramm hat eigentlich zwei Anstiege: Zuerst müssen wir es schaffen, nach Vercorin hinaufzukommen. Ein hübsches Schweizer Dorf, in dem in der Nebensaison wenig los ist. Nach einem acht Kilometer langen Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von acht Prozent wartet eine längere Abfahrt, die zum Fuß des eigentlichen Anstiegs zum Lac de Moiry führt. Das sind 13 Kilometer mit immer steiler werdenden Anstiegen. Schmerzhaft.

Auf dem Grill

Es ist Juni im Wallis, aber es scheint voll von Sommer. Die Sonne steht hoch am blauen Himmel und hat freies Spiel auf den Straßen des Südkantons. Christus der Erlöser leuchtet in der Sonne, als wir das Tal durchqueren. Insgeheim bitte ich 'm um gute Beine. Um etwas Elan für die bevorstehende Etappe. Die Durchquerung des Tals verläuft ziemlich reibungslos, und als wir am Fuße des Anstiegs nach Vercorin sind, fühlt sich alles gut an. Nur die Sonne fängt an, heiß zu werden. Der Zähler zeigt jetzt 33 Grad an. Am Anfang des Anstiegs gibt es noch ein paar schattige Plätze am Straßenrand. Je weiter oben, desto öfter schaue ich nach links, zu meinem großen Freund auf der anderen Seite des Tals. Wie lang ist es noch? Ich fühle mich, als ob ich komplett auf dem Grill sitze. Auf halber Höhe wird es mir zu viel und ich halte im Schatten an. Kühle mich eine Weile ab.

Gute Wahl

An diesem Punkt habe ich beschlossen, nicht bis zum Lac de Moiry zu fahren. Das sind insgesamt 1000 Höhenmeter mehr, die mich bei dieser brütenden Hitze den Kopf kosten werden. Im Nachhinein betrachtet, eine sehr gute Entscheidung. Der zweite Abschnitt nach Vercorin klettert immer weiter über acht Prozent mit Spitzenwerten gegen 12 und 13. Der Wahoo zeigt rote Ausreißer an. Zum Glück gibt es manchmal etwas Schatten, um der sengenden Sonne zu entkommen. Puh. Damit habe ich nicht gerechnet. Der Zähler steigt auf 36 (!) Grad. Vielleicht liegt das an der Sonne auf dem Computer, aber es ist ein guter Indikator. Immer her mit dem Spiegelei. In Vercorin halten wir an und machen nach einer Erfrischung ein paar Fotos, bevor wir wieder absteigen.

Großartigkeit auf der Piste

Bergauf ist ein Graus. Bergab ist das pure Vergnügen in der Schweiz. Die Abfahrten sind recht technisch, manchmal etwas verwirrend, aber man kann es wirklich genießen, sich zu drehen, zu wenden und bergab zu sausen. Achten Sie auf die Steine auf der Straße, denn manchmal befindet sich ein Stück Berghang auf dem Asphalt. Bleiben Sie wachsam, es ist schließlich nicht die Tour de Suisse. Oder die Tour de France. Ein weiterer Nebeneffekt: Sie können auf der Abfahrt schöne Bilder schießen. Überzeugen Sie sich selbst!

Abschleppen zwischen Lastwagen

Nach einer schnellen und schönen Abfahrt geht es noch 10 Kilometer bergauf zu unserem Hotel in Crans-Montana. Das gehört zum Erlebnis Crans-Montana dazu. Um nach Hause zu kommen, muss man fast immer wieder hinauffahren. Die Seilbahn (funiculaire) ist eine Zeit lang außer Betrieb. Normalerweise kann man auch sein Fahrrad mitnehmen, aber das Zahnstangensystem aus dem Jahr 1911 (!) musste ersetzt werden. Also ist es soweit. Die ersten paar Kilometer fahren wir noch zwischen Weinbergen, aber dann kommen wir auf die Hauptstraße. Fehler in der Routenplanung. Schließlich fahren wir zwischen Lastwagen und einigen unfreundlichen Verkehrsteilnehmern bei sengender Hitze hinauf. Auf halber Strecke bin ich völlig ausgekühlt und wir machen einen weiteren Halt, um uns abzukühlen. Ich habe mir gerade den Eistee in den Nacken geschoben, so heiß ist es. Als ich weiter nach oben schaue, sehe ich wieder das Bild meines Freundes. Jesus, der Retter.

Kühl und kaputt

Als wir endlich oben ankommen, sind wir wieder ganz cool. Es ist ein bizarres Erlebnis, das so durchzustehen. In den Strava-Listen werde ich nicht gerade gut abschneiden. Aber dafür machen wir es ja auch nicht. Am Hotel stellen wir das Rad ab und ich muss erst einmal Luft holen. Es war ein warmer, schöner Tag. Einen, den ich nicht so schnell vergessen werde. Mehrmals dachte ich: So geht das nicht. Aber wir haben es trotzdem geschafft. Jetzt haben wir uns einen Drink verdient!

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