Belgien kann sich zu Recht ein echtes Fahrradland nennen. Das liegt nicht an den guten Einrichtungen für Radfahrer, wenn sie durch die Stadt Antwerpen oder Brüssel radeln, sondern vor allem daran, dass das ganze Land "auf Eis" liegt, wenn die Frühjahrsklassiker ausgeführt werden. Heute hoffe ich, dass ich etwas von dieser Atmosphäre während Lüttich-Bastogne-LüttichZumindest einen Teil davon. Wir fahren einen Teil dieses Klassikers, um das zu erleben, was auch die Profis auf unsere eigene bescheidene Art erleben.
Text & Fotos: Erwin & Erwin / Mountainhighchasers.com
Eine Sondersitzung
Frühmorgens steigen wir ins Auto. Wir fahren schweigend durch die hügelige Landschaft in Richtung Lüttich. Der Regen prasselt hart gegen die Scheibe und die Wolken werden immer dunkler. Je näher wir Lüttich kommen, desto mürrischer werden wir. Die Landschaft macht es auch nicht besser. Wo wir eben noch durch eine schöne Landschaft gefahren sind, passieren wir jetzt alte Industrieanlagen und einen schmutzigen Fluss. Aber was soll's, wir wollen heute Lüttich-Bastogne-Lüttich radeln. Also wieder geradeaus und die Räder aus dem Auto. Mit vertrauten Radfahrergesprächen und aufmunternden Witzen schwingen wir uns lächelnd auf unsere Räder in Richtung Start. Wir sind zwar schon nass geregnet worden, aber wir freuen uns darauf.
Enthusiastisch am Start
Am Start angekommen, werden wir noch enthusiastischer als sonst....und Erwin sieht einen alten Bekannten. Ich habe keine Ahnung und laufe still hinter ihm her, erst als er einem älteren Herrn die Hand schüttelt und ihn mit "Guten Morgen Herr Merckx" begrüßt, schlägt auch mein Herz ein wenig schneller. Der vielleicht größte Radrennfahrer aller Zeiten steht hier allein, ohne Presse, ohne kreischende Fans, und genießt einfach die Radsportbegeisterten um sich herum. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Messi das in nächster Zeit tun wird.
Nachdem sich Herr Merckx mit uns hat fotografieren lassen und die Startnummern bestätigt wurden, treten wir in die Pedale und fahren durch das klatschnasse Lüttich. Ab und zu wechseln wir ein paar Worte, aber die Hauptsache ist, dass wir bei diesem Wetter den richtigen Modus finden. Einmal nass ist nass, also was soll man da noch großartig sagen.
Wo die Industrie zum Spielplatz wird
Um ehrlich zu sein, sind wir nicht sofort (abgesehen vom Regen) von der Umgebung begeistert, die Route verweilt ein wenig in und um die Stadt, wo noch viele Spuren der Industrie zu sehen sind. Schon früh wurden hier die ersten Kohleminen gebaut und die Landschaft hat sich dadurch nicht verbessert.
Die ersten 60 Kilometer verlaufen größtenteils auf langen, geraden Straßen durch die hügelige Landschaft. Schließlich ändert sich alles und wir können einen echten Spielplatz für Radfahrer genießen. Schwere kurze Anstiege und schöne kurvenreiche Straßen durch die Landschaft der belgischen Ardennen. Da es sich um Belgien handelt, ist der Straßenbelag nicht immer so glatt.
Der Henker
Der Aufstieg, auf den wir uns gefreut haben, kommt: La Redoute! Die Straße beginnt anzusteigen und das Schild am Wegesrand verrät, dass es sich um die La Redoute handeln muss. Heute wollten wir die Atmosphäre erleben, die dieses Land während des Frühjahrsklassikers mit sich bringt. Man hofft also auf Hunderte von Menschen am Straßenrand, einen rennenden Teufel und Fahnen am Lenker, kurz bevor man um die Ecke biegt. Leider ist nichts dergleichen zu sehen. Da hat wohl das Wetter eine Rolle gespielt. Trotzdem fühlen wir uns ein bisschen wie Profis: Die La Redoute ist oft ein Ort, an dem dieser Klassiker aufgelöst wird, das Publikum weiß das und will deshalb in der ersten Reihe stehen. Das Ergebnis: Reihen von Wohnmobilen entlang des Anstiegs mit wehenden Fahnen auf dem Dach.
Straßenbelag nicht wiederzuerkennen
Selbst der Straßenbelag ist vor lauter Jubel nicht mehr zu erkennen. Der Phillip-Gilbert-Fanclub hat sich einen Tag lang einen Spaß daraus gemacht, Phil, Phil, Phil! Doch um den Campern und Fahrern etwas zu bieten, treten wir in die Pedale. Mittlerweile geht es hier auf 10% zu. Ich hänge mich ins Lenkrad und gemeinsam fahren wir an den ersten Campern vorbei. Bald merke ich, dass dieses Tempo zu schnell ist und lasse nach. 100 Kilometer im Regen gibt es nicht in der "Kälte", also heißt es strampeln! Neben Gilbert sehe ich auch Mollema, Nibali, Van Aert und Evenepoel vorbeiziehen. Mit ein bisschen Fantasie reite ich diese Männer in eine Lücke und verdränge den anderen Erwin. Ich versuche zu provozieren und die Jungs später einzuholen, man muss ja etwas tun.
(Text wird unter dem Foto fortgesetzt)
Höher, steiler, weiter
Die Steigungen lügen nicht, sie steigen langsam auf 14% an, und kleine Wasserbäche laufen über die Fahrbahn. Für die Wohnmobile ist es hier zu eng und zu steil, also fahre ich jetzt an den Zäunen entlang nach oben und überhole gelegentlich andere Bergsteiger. Auf halber Höhe lässt die Anspannung für einen Moment von den Beinen ab, aus 14% werden kurzzeitig 7%, aber bald fällt der Zähler wieder auf 14%. Eine Finte dieses Anstiegs, die ihn nicht leichter macht.
Rintje, bist du da?
Als ich mich nach oben kämpfe, erschrecke ich über einen Fahrer, der mit halsbrecherischer Geschwindigkeit an mir vorbeifährt. Für einen Moment dachte ich, ich hätte den Bären von Lemmer erkannt, einen großen blonden Herrn in einem Aegon-Anzug aus den 1990er Jahren. Er muss es nicht gewesen sein, aber er fährt mit einem beeindruckenden Tempo bergauf, vor allem wenn man es mit den Radfahrern vergleicht, die diesen Anstieg zu Fuß bewältigen müssen. Während ich beobachte, wie das Rad des Bären aus Lemmer schnell aus dem Blickfeld verschwindet, taucht am Horizont der Bogen auf. Der Bogen, der das Ende dieses Anstiegs markiert. Mit einer letzten Anstrengung rolle ich unter den Bogen, wo Erwin R. auf mich wartet.
Abstieg
Ohne etwas zu sagen, berühren sich unsere Fäuste freundschaftlich und wir steigen auf der anderen Seite der Redoute ab. Als wir wieder zu Atem gekommen sind, besprechen wir den Aufstieg und kommen zu dem Schluss, dass er ziemlich hart ist. Einer, der von der Seite sehr freundlich aussieht, aber in Wirklichkeit ziemlich überraschend sein kann. Warum habe ich das nicht Eddy Merckx selbst gefragt, denn wenn jemand auf der Redoute nicht überrascht wurde, dann war er es. Aber egal, heute Abend mit dem Buch auf dem Schoß auf dem Sofa, die Füße auf dem Tisch.
Geschichte von ihrer besten Seite
Fairerweise muss man sagen, dass es nicht die schönste Gegend zum Radfahren ist. Wenn wir unsere eigene Route durch die Ardennen zeichnen würden, würden wir die "Städte" weit hinter uns lassen und in der beeindruckenden Natur bleiben, die die Ardennen zu bieten haben. Warum also diese Route fahren? Es ist Geschichte, es werden Geschichten geschrieben und Helden geschaffen (oder gebrochen)! Die LBL oder auch 'La Doyenne' (die alte Dame) ist eines der fünf Radfahrerdenkmäler und das allein ist schon Grund genug, diese Strecke einmal zu fahren. Erleben Sie gemeinsam mit Ihren Radsportfreunden, wie es ist, als Profi durch das 'Radsportland' schlechthin zu fahren. Es sind die Geschichten, die das Erlebnis schön und die Erfahrung reicher machen. Für uns also ein absolutes Muss!