1976 fuhr mein Vater mit dem Fahrrad von Limburg nach Italien - und wieder zurück. Auf einem Rennrad aus Stahl, mit einem undichten Zelt. Sein Reisebericht, der auf einer Schreibmaschine geschrieben wurde, kam letzten Sommer auf dem Dachboden zum Vorschein, und auf den Spuren meines Vaters radeln mein Freund Gudo und ich von Süd-Limburg nach Valduggia (Piemont). Auf zu den italienischen Seen, in die Sonne!
Fahrradrucksäcke-leicht
Es ist das erste Mal, dass wir mit dem Rad unterwegs sind, und wir entscheiden uns für die leichte Variante, ohne (undichtes) Zelt, und ich lasse die Kaffeevorräte zu Hause, auch wenn es mir im Herzen weh tut. Ich fahre nur mit einer Satteltasche und einer kleinen Lenkertasche los, so minimalistisch wie möglich gepackt, mit nur einem Satz Kleidung und Leggings statt Leggings, zum Beispiel. Kein Wahlstress in den kommenden Wochen! Gudo hat noch eine Rahmentasche und eine etwas größere Lenkertasche, um noch etwas Material und Proviant mitnehmen zu können.
Vor unserer Abreise habe ich bereits Übernachtungen entlang der Strecke gebucht: um die Kosten niedrig zu halten, oft so einfach wie möglich, über AirBnB und booking.com, aber auch über Warm Showers (die internationale Version von Friends on the Bike).
Die Route
Wir haben uns bei unserer Route an der berühmten 'Benjamin-Route" von Amsterdam nach RomMit einigen Anpassungen: Wir starten in Brunssum (Südlimburg), bauen etwas mehr Höhenmeter in die Route ein, indem wir z.B. direkt durch die Vogesen fahren, anstatt sie ein wenig zu umfahren, und wählen einen Abstecher quer durch Luxemburg, um Freunde zu besuchen. Unser Endziel ist Haus Valduggiadie Frühstückspension eines Bekannten von uns (den Sie vielleicht als Vincent aus der ersten Staffel von B&B Full of Love kennen...). Die Gesamtstrecke beträgt 1.237 Kilometer mit etwa 14.000 Höhenmetern.
Links zur Route der italienischen Seen in Komoot:
Teil 1: Brunssum - Basel
Teil 2: Basel - Valduggia
Etappen 1 bis 3: Belgien, Luxemburg und Frankreich
Das typisch niederländische Sommerwetter sorgt dafür, dass wir die Reise nicht in unserer Heimatstadt Groningen beginnen, sondern mit dem Zug nach Limburg fahren. Nachdem wir bei meiner Tante und meinem Onkel in Brunssum übernachtet haben, brechen wir unter einem noch recht grauen Himmel auf. Wir radeln stundenlang durch das Nirgendwo, auf einem schönen Radweg an der deutsch-belgischen Grenze entlang einer alten Eisenbahnlinie: der Vennbahn. Dort lernen wir gleich die wichtige Lektion, dass man nicht überall auf Imbissbuden oder Supermärkte stößt: Nachdem wir schon viel zu lange geradelt sind, stoßen wir auf einen spärlichen Kiosk, der keine nennenswerten Lebensmittel verkauft und wo ich meine volle Kaffeetasse umkippe. Es gibt keine weiteren Rückschläge, und nach 121 Kilometern erreichen wir unsere Warm Showers-Adresse in Belgien, wo wir im "Mobilheim" eines besonders gastfreundlichen Ehepaars übernachten.
Auf zu einem wärmeren Ort
Nach einer sehr kalten Nacht freue ich mich darauf, an einen hoffentlich etwas wärmeren Ort zu fahren. Einmal auf dem Rad, ist die Kälte schnell aus dem Körper und die Strecke entpuppt sich als wahrhaft prächtig. Insgeheim hatte ich erwartet, bis zur Schweiz keine besondere Natur zu sehen, aber die erste Hälfte der heutigen Etappe führt uns auf Radwegen entlang des hier und da märchenhaften Flusses Our. Zwischendurch Brombeeren pflücken und das Urlaubsgefühl ist komplett. Im touristischen Vianden beschließen wir, vor den vielen Niederländern zu fliehen und unser Mittagessen in einem Supermarkt ein paar Kilometer weiter, gleich hinter der Grenze in Deutschland, zu ergattern. Dann radeln wir nach Luxemburg, wo wir von Freunden in der Hauptstadt herzlich empfangen werden.
Niemandsland
Nach einem Tag in Luxemburg radeln wir direkt in die französische Landschaft - oder ins Niemandsland? Sonnenblumen, Atomkraftwerke und Kühe. Bei endlich auch mal Sonnenschein und 25 Grad können wir es wirklich mal ruhig angehen lassen. Das ist auch gut so, denn ich habe nicht meinen besten Tag auf dem Rad. Erst nach der lauwarmen Supermarkt-Cola bei Kilometer 91 komme ich wieder in Schwung, kurz bevor wir bei Kilometer 102 unsere Adresse für die Nacht erreichen: eine idyllische Frühstückspension, mit Hängematte!
Etappe 4 bis 6: durch die Vogesen nach Basel
Die 4. Etappe ist eine Übergangsetappe: Die ersten Stunden radeln wir wieder durch die französische Landschaft, nicht flach, sondern hügelig, und ehe ich mich versehe, sind die ersten 1.000 Höhenmeter geschafft. Nicht lange nach dem ersten echten französischen Mandelcroissant des Urlaubs beginnt sich die Berglandschaft der Vogesen zu schärfen. Wir beenden die Etappe nach 130 Kilometern in Fouday, wo unsere französische AirBnB-Gastgeberin die Peeps für uns schon praktisch auf den Tisch gestellt hat.
Route des Crêtes
Nach einer erholsamen Nacht ist es Zeit für die Route des Crêtes, eine "Kammroute", auf der wir etwa 60 km hoch in den Vogesen radeln. Es dauert eine Weile, bis wir den Anfang dieser Route finden: Schon bald schickt uns unser gpx von der Hauptstraße auf ein ziemlich steiles Sträßchen, das wenig später von Asphalt in Schotter übergeht. Zum Glück bin ich heute in der Stimmung für ein Abenteuer. Wir radeln eine Weile, doch plötzlich taucht eine asphaltierte Straße auf, die uns doch noch zur Route des Crêtes führt. Wir werden mit herrlichen Aussichten und schließlich einer undurchsichtigen Abfahrt auf einem schönen Sträßchen direkt in die Hitze verwöhnt. Mit 130 km auf dem Zähler kommen wir in einem kleinen Dachzimmer in Mulhouse an. Nicht die schönste Stadt, in der ich je war, aber wir finden dort eine unglaublich gute Pizzeria!
Nach den eher harten Etappen lassen wir es am nächsten Tag ruhig angehen. Nach 37 flachen Kilometern entlang eines Flusses kommen wir in Basel an und der "erste Teil" unserer Reise ist vorbei! Ich habe gelesen, dass man dort im Rhein schwimmen kann, also ist das das erste, was wir in Basel machen. Viel Spaß!
Etappe 7 bis 9: Über den Bodensee in Richtung Alpen
Heute wieder eine relativ kurze und ziemlich flache Etappe. Ich schwimme unterwegs noch einmal im Rhein, wir essen ein Eis und kommen trotzdem am frühen Nachmittag in unserem AirBnB in einem verschlafenen Schweizer Dorf an.
Am nächsten Tag lassen unsere Streckenkenntnisse etwas zu wünschen übrig. 120 relativ flache Kilometer hatten wir uns vorgestellt, meist entlang eines Flusses, mit Rückenwind. Das ist in jeder Hinsicht enttäuschend, zum Glück schaffen wir es trotzdem, es unterwegs gemütlich zu halten, und eine 1,5-Liter-Flasche kalte Cola erweist sich als unsere Rettung! Wir beenden die Etappe mit einem Bad im Bodensee.
Diesen kehren wir gleich am nächsten Tag den Rücken: die italienischen Seen rufen! Nach 140 Kilometern durch den Heißluftofen, mit herrlichem Blick auf die immer näher rückenden Alpen, erreichen wir das Bergdorf Thusis. Dort verwöhnt uns unser Warm Showers-Gastgeber mit einer Mahlzeit voller selbst gesammelter Pilze.
Etappe 10 & 11: Das große Finale über den Splügenpass und den Comer See
Zeit für den großen Tag: die Überfahrt nach Italien über den Splügenpass! Nach einer kurzen Abfahrt geht es gleich wieder bergauf. Das erste Stück ist gleich sehr cool: durch eine Schlucht auf einer sehr alten Straße. Langsam geht es weiter bergauf, mal auf einer größeren Straße, dann auf einem glorifizierten Radweg und sogar ein Stück unbefestigt entlang eines Stausees.
Schöner Pass
Der Pass selbst ist wunderschön; auf der Passhöhe (2115 m) beginnt die Sonne zu scheinen und wir genießen die Aussicht und das Schild mit der Aufschrift Italien. Die Abfahrt ist atemberaubend: Berge, italienische und Schweizer (Stausee) Seen, und schließlich, nach dem ersten italienischen Espresso, landen wir am Comer See. Schwimmen in klarem, nicht einmal wirklich kaltem Wasser, mit Blick auf die Berge zu allen Seiten, schöner geht es nicht mehr. Nach einem furiosen Aufstieg kommen wir dann in einem kleinen Hotel an, mit herrlichem Blick auf den See und die Berge. Was für ein Tag!
Comer See und basta!
Die letzte Etappe führt uns etwas zu lange durch den Trubel des Comer Sees und fühlt sich sehr doppelt an: Einerseits ist es cool, das Ziel in Sichtweite zu haben, andererseits will ich es noch nicht wirklich erreichen. Es zeigt sich, dass Radfahren im Urlaub verdammt süchtig macht!
Die italienischen Seen sind erstklassig!
Zum Glück ist unser Urlaub noch nicht zu Ende: Wir verbringen noch ein paar gemütliche Tage in Valduggia und am schönen Ortasee in der Nähe. Schließlich radeln wir über den Lago Maggiore zum Luganer See, von wo aus wir mit dem Zug nach Hause fahren, denn leider erlaubt es die Anzahl der Urlaubstage nicht, dass wir, wie mein Vater, den ganzen Weg zurück in die Niederlande radeln. Im Zug haben wir viel Zeit, um uns Gedanken über unsere nächste Radreise zu machen, denn diese Reise macht offensichtlich Lust auf mehr!