Fernweh. Ein typisch deutsches Wort aus unseren östlichen Nachbarländern, das sich nur schwer mit einem Wort ins Niederländische übersetzen lässt. Fernweh ist die Lust am Reisen. Anderswo hinzugehen. Ist es das, was die Männer von den Pedaleurs (Maarten und Robbert) dazu gebracht hat, eine Fahrradtour von Rectum in Overijssel nach Aars in Norddänemark zu unternehmen? Oder ist es doch die Suche nach 'Hygge'. Wieder so ein Wort, diesmal aus dem Dänischen, das im Niederländischen nicht vorkommt. Hygge steht für alles Angenehme, Schöne und Gute. So eine mehrtägige Fahrradtour soll genau das sein. Oder war es insgeheim doch eine Midlife-Crisis? Zwei Mittvierziger, die sich noch etwas beweisen wollen. Mit dem Rad nach Dänemarkin einer brillanten Geschichte festgehalten. Viel Spaß!

Pubertäts-Witz

Rectum - Aars ist vor allem ein pubertärer Witz, der von einem Geographielehrer in eine Fahrradtour verwandelt wurde. Einer dieser Witze, die man machen muss. Bei Pedaleurs reden wir nicht nur davon, coole Fahrradabenteuer zu machen. Wir wollen erleben, wie es ist, sechs lange Tage am Stück im Sattel zu sitzen. Nichts anderes zu tun als radeln, essen und schlafen ist einfach fantastisch. Essen, schlafen, radeln, wiederholen. Mehr ist es nicht.

KreditkartePackung

Der Begriff "Bikepacking-Reise" ist jedoch immer noch ein Schimpfwort. Eingefleischte Bikepacker schnüffelten süffisant, dass unser Plan eigentlich "Kreditkartenpacken" heißen müsste: Wenn man von Hotel zu Hotel radelt, braucht man schließlich nur seine Kreditkarte. Eingefleischte Ausdauerradler kicherten allein über die Entfernung: 800 Kilometer in sechs Tagen. Weicheier. Ein kleiner Randonneur kommt dafür nicht einmal aus dem Bett. Wie auch immer: Für uns war und ist es Bikepacking. Den Traum in vollen Zügen leben! Tagelang radeln, Länder durchqueren, Grenzen überschreiten, tolle Radabenteuer erleben und abends im Podcast darüber reden. Genau das ist es, was Pedaleurs ausmacht.

Auf die Vorbereitung kommt es an

Es muss gesagt werden, dass die Vorbereitung und die Ausrüstung nicht zu beanstanden waren. Das sollte es auch nicht sein: neue Taschen, Kleidung und Schuhe, zweimal eine #fietsvandeshow, dazu eine ausgeklügelte Route. Selbst der größte Skeptiker würde unumwunden behaupten, dass es nicht schiefgehen sollte. Ein Datum war auch schnell festgelegt: 29. April Abfahrt in Rectum und Ankunft in Aars am 3. Mai. Und da kommen die Zweifel... Dann muss eine 200-Kilometer-Route gefahren werden, zusammen mit vier 150-Kilometer-Routen. Überschätzen wir uns da nicht ein wenig? Auch die Resonanz in den sozialen Netzwerken auf unsere Pläne bringt nicht die gewünschte Zuversicht. Die eingefleischten Bikepacker finden unsere Pläne "gewagt", "mutig" oder sogar "eine ziemliche Herausforderung". Die Radonauten kichern weiter.

Extra freier Tag?

Nach gegenseitiger Beratung beschließen wir, die Tukkers, einen Tag hinzuzufügen. Natürlich auch nach sorgfältiger Abwägung mit der Heimatfront. Einen Tag früher abzureisen bedeutet einen weiteren Tag weg von zu Hause.
Je näher der Tag der Abreise rückt, desto intensiver werden die Kontakte. Unzählige Anrufe, Telefonate und Fotos von Vorbereitungsmomenten. Die Fahrräder werden vorbereitet, Reifen schlauchlos gemacht, Taschen testweise montiert und sogar gepackt. Letzteres ist sowieso so eine Sache: Ausrüstung sammeln und in Taschen stopfen. Taschen einpacken, auspacken, wieder einpacken, fluchen, wieder auspacken und das mehrmals. Ständig alles hinterfragen; brauchen wir das und wie können wir alles so effizient verpacken, dass das Radfahren Spaß macht. Dass sich das Fahrrad samt Satteltasche nicht wie ein glorifizierter 'convoi exceptionel' anfühlt.

Einen Tag vor der Abreise werden auch zwei Paar sehr gute DMT-Schotterschuhe gekauft. Jetzt müssen nur noch die Schuhplatten richtig montiert werden. Das erweist sich als etwas knifflig. Wenn das alles erledigt ist, bedeutet das nur eines: Das Material kann nicht fehlerhaft sein... Von nun an müssen die Beine sprechen.

Fernweh

Tag 1: Rektum - Cloppenburg! (151 Kilometer)

"Der Kopf ist ab!"

Am 28. April brechen wir von Hellendoorn und Nijverdal aus auf, bevor wir zu unserem offiziellen Startpunkt Rectum fahren. Glücklicherweise werden wir an unserem ersten Tag von Jeroen Gerrits und Joey van Rhee, die "glampen", teilweise vor dem Wind geschützt. Noch vor der offiziellen Abfahrt von Rectum muss Robbert seine Stollenschuhe etwas anpassen. Und das ist erst der Anfang. In Nordhorn biegt Jeroen in Richtung Heimat ab und Robbert zieht seine Stollenschuhe zum ersten Mal wieder fest. Wird dies das letzte Mal sein?

Erster Schotter

Bald stoßen wir auf die ersten Schotterwege, wie man sie in Deutschland häufig findet: halboffene Landschaft mit Schotterwegen zwischen gepflügten Feldern und Wiesen. Entlang der Waldränder gibt es alle 100 Meter einen Hochsitz für Jäger. 
In Lingen haben wir uns von Joey verabschiedet. Von nun an sind wir auf uns allein gestellt. Auf einem langweiligen Radweg entlang einer vielbefahrenen Straße sehen wir plötzlich einen schönen Schotterstreifen zu unserer Rechten.

Mit dem Tipp von Bas Overbeek vom Detour-Studio im Hinterkopf ("die schönsten Stellen findet man bei einem Umweg"), beschließen wir, die Chance gleich zu nutzen: Wir weichen von der Route ab und machen einen kleinen Umweg. Die Strecke durch den Wald ist wirklich schön, und wir sind nie mehr als 2 Kilometer Luftlinie von der Hauptstraße entfernt. Auf dem Rest der Strecke ist die Landschaft offen und bietet jede Menge Schotterpisten, an denen man sich die Finger lecken kann. Während wir die Strecke genießen, fahren wir 'einfach' in die Innenstadt von Cloppenburg. 

Nachdem wir geduscht hatten, schlenderten wir eine Weile durch die Innenstadt von Cloppenburg. Nach nur fünf Minuten Fußmarsch gab Maarten seine hippen Bootsschuhe auf. Sie waren billig und dank eines Gummibandes nahmen sie auf der Straße nicht viel Platz ein. Aber das war auch schon alles. Sie liefen überhaupt nicht. In einem Sportgeschäft im Stadtzentrum verschwand Maarten für eine Weile aus dem Blickfeld. Er fand einen Massagesessel und testete ihn ausgiebig. Am Ende des Tages gab es doch noch eine Art Happy End.

Tag 2: Cloppenburg - Buxteheide (156 km)

"Quer durch Bremen"

Nach einem hervorragenden Frühstück verließen wir das Parkhotel Cloppenburg wieder voller Wanderlust. Wir freuten uns darauf, auch wenn es ein langer Tag im Sattel werden würde. Wir starteten gleich mit schönen Schotterwegen in Richtung Bremen: Waldränder, viele Jägerhütten und schöne Schotterwege. Nach 75km fuhren wir über einen schönen Schotterweg in Bremen ein. Das ist eben der Vorteil von Komoot: Dank der Highlights im Programm lassen sich die schönsten Kleinode mit etwas Detektivarbeit finden. Sogar mitten in einer Großstadt. Bremen hat wirklich einen schönen alten Stadtkern. Zeit für Kaffee und Mittagessen auf dem Hauptplatz mit Blick auf den Dom und das Rathaus.

Podcast-Studio Bremen

Auf der Terrasse nehmen wir den ersten Podcast des Tages auf.
Vollkommen gesättigt schwingen wir uns wieder auf unsere Räder, um Bremen über eine fantastische Fahrradstraße zu verlassen. Bald befinden wir uns auf dem Pendlerradweg in Richtung Lilienthal. Der Rest der Strecke nach Buxtehude besteht hauptsächlich aus Radwegen und verkehrsarmen Straßen, wobei uns kurz vor dem Ziel noch einige schöne Schotterabschnitte erwarten. Nach 158 Kilometern ist auch Tag 2 zu Ende. Zeit, um einzuchecken, einen Podcast aufzunehmen und zu duschen. Dann ist es Zeit für die täglichen Facetime-Momente mit der Heimatfront.

Tag 3: Buxtehude - Rendsburg (133 km)

"Zweimal durch einen Tunnel!"

Nach einem ausgiebigen Frühstück trotzen wir dem Wind aus dem Norden. Nur hundert Meter vom Hotel entfernt beginnt das Stadtgebiet von Hamburg. Die ersten dreißig Kilometer sind durchgängig städtisches Gebiet. Bis zum "echten" Hamburg wird viel auf Bürgersteigen gefahren, Ampeln drängen das Tempo. Manchmal ist der Radweg in Deutschland links von der Straße, manchmal rechts von der Straße, und meist ist auch der Zustand des Radwegs von miserabler Qualität. Es sieht so aus, als hätte die Straßenbaufirma die Asphaltreste zu einer Art Radweg zusammengeschustert. Vor allem für Robberts Achillessehnen nicht der angenehmste Teil: an einer Ampel anhalten, aufsteigen, losfahren und wieder anhalten. Schmerzhaft.

Nächste Beule

Am Elbufer angekommen, ist das Industriegebiet/Hafen die nächste Herausforderung. Wegen Bauarbeiten an der Bahn ist eine der Brücken gesperrt, aber mit etwas Glück können wir die Brücke überqueren und finden den Fahrradtunnel St. Pauli - Elbe. Was für ein besonderes Erlebnis, durch den Tunnel zu radeln. Erst mit dem Aufzug hinunter, dann durch einen fantastischen Tunnel fahren.

Jenseits von Hamburg

Nachdem wir Hamburg passiert haben, erreichen wir das ländliche Norddeutschland, wo sich die vielen Kartoffelfelder und Waldgebiete in hohem Tempo abwechseln. Ab und zu nehmen wir einen schönen Schotterstreifen auf und merken, dass sich die Landschaft wirklich verändert: Es wird viel hügeliger und waldiger. Fast alles skandinavisch.

Sie sind Geografielehrer oder nicht

Auch Martins Geografie-Herz macht an diesem Tag Überstunden: "Schau mal da... eine Pinguin-Ruine. Die habe ich noch nie in echt gesehen. Wie cool!" Und: "Wusstest du, dass die Steine, die hier auf der Wiese liegen, mit dem Landeis aus Skandinavien gekommen sind?"
In der Zwischenzeit blies uns der Wind immer wieder kräftig ins Gesicht (oder war das ein Gefühl?), aber das tat dem Spaß keinen Abbruch. Zufrieden erreichten wir schließlich Rendsburg, wo wir zum zweiten Mal an diesem Tag einen Fußgängertunnel unter dem Wasser erlebten. Unser Hotel liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums in einer etwas heruntergekommenen Gegend. Zumindest... Hotel? Von außen sieht es eher wie ein geschlossenes Altersheim aus. Wie auch immer: Man sollte ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen: Der Empfang ist in Ordnung und das Zimmer ist in Ordnung. Wir stellen unsere Fahrräder sicherheitshalber im Zimmer ab. Morgen geht es weiter nach Dänemark! Hygge!

Tag 4: Rendsburg - Aabenraa (105 Kilometer)

"Die Grenze überschreiten"

Nachdem wir Rendsburg verlassen hatten, stiegen wir sofort auf und fuhren durch Waldgebiete, in denen wir uns einen Moment lang allein auf der Welt fühlten. Entlang jedes Waldes, jeder Wiese und jedes Feldes standen verlassene Jagdhütten. Alle warteten auf den einen Jäger, der sich vorübergehend niederlassen wollte, um von einer geschützten und erhöhten Position aus eine Gans, ein Reh, einen Hasen oder ein anderes Tier zu jagen. Dabei schauten auch wir unbewusst in die Röhre, ließen aber das alte Fleisch auf dem Schotter- oder Waldweg weiterlaufen.

Heute ist Sonntag, der 1. Mai. Tag der Arbeit. Und das merken wir, als wir uns Flensburg nähern. In den Wäldern wimmelt es von Spaziergängern und am Wasser grillen junge Leute. Obwohl wir uns nach unserem Stopp mit Kaffee und Karottenkuchen gut gestärkt auf den Weg machen, riecht der Grill sehr gut. Eine Zeit lang fahren wir auf einem Schotterweg am Wasser entlang, bevor es wieder höher hinauf geht, aber hauptsächlich zu unseren Nachbarn jenseits der Grenze. Nach 7 km sind wir endlich im gelobten Land! Mit dem Fahrrad nach Dänemark, wer erfindet das.

Willkommen in Dänemark! 

In Dänemark bekamen wir noch mehr Wind vor die Räder und ins Gesicht. Das erste Stück nach der Grenze würde hauptsächlich aus asphaltierter Straße bestehen. Lange gerade Straßen, auf denen der Verkehr mit hoher Geschwindigkeit rollte, veranlassten uns, noch einen kleinen Umweg zu machen und den dänischen Schotter zu erkunden. Das erste Stück Schotter war von unfassbarer Schönheit. Was für ein Weg.... Wenn es hier kein Hygge gäbe. Der Schotter in Dänemark ist grobkörniger und weniger fein als der in Deutschland, aber es ist ein herrlich knuspriger Radweg. Manchmal ist die Schicht aus grobem Schotter so dick, dass sie sich fast wie eine Vokuhila anfühlt.

Die dänische Landschaft ist weitläufig und hat immer mehr hügelige Züge. Da wir auf einer Hochebene fahren, war die steile Abfahrt am Ende ein Dessert, das wir schnell hinter uns bringen wollten. Nach knapp fünf Kilometern war unser Tagesziel in Sicht: Aabenraa. Nur noch ein wenig Beinarbeit bis zur Küste. Unten in Aabenraa angekommen, riechen und schmecken wir die salzige Seeluft. Essen Sie und erholen Sie sich für die kommenden Tage!

Aufenthalt in Aabenraa

Wir übernachten im Europa Hotel in Aabenraa. Ein Luxushotel, das für Radfahrer eingerichtet ist. Die Fahrräder können draußen in einem großen Seecontainer abgestellt werden und neben dem Hotel gibt es eine Werkzeugstation mit allerlei Kleinwerkzeug und einer Fahrradpumpe. Nützlich für Robbert, um die Schuhplatten wieder einzustellen, denn die Achillessehnen blieben geschwollen und schmerzhaft.
Nachdem wir geduscht und den täglichen Podcast aufgenommen haben, werden wir in der Lobby von Gerda begrüßt. Sie lebt seit vielen Jahren in Dänemark und arbeitet im Tourismusbüro von Sonderjylland. Dort befindet sich die Stadt Abenraa und auch der Ankunftsort der Tour de France. Gerda gibt Auskunft über die Stadt, die Region und die Radfahrmöglichkeiten in dieser Gegend. Aufgrund unserer eigenen Erfahrungen und Gerdas Erzählungen: sehr empfehlenswert für einen Radausflug mit Freunden oder der Familie. Zusammen mit Gerda machen wir auch einen herrlichen Stadtspaziergang durch Aabenraa, obwohl es eine Art "Platvoet und Achilles in Bewegung" ist. Maarten kann mit seinen billigen Schuhen nicht so gut laufen, ganz zu schweigen von Robberts Achillessehnen. Nach einem leckeren Essen, mit dito Spezialbier, im Irish Pub unterhalb des Hotels, geht Tag 4 zu Ende.

Tag 5: Aabenraa - Vejle (112 Kilometer)

"Auf zur Tournee-Stadt"

Nach einer mehr als angenehmen Nacht im Europa-Hotel und einem leckeren Frühstück ist es höchste Zeit, sich wieder aufs Rad zu schwingen. Die Etappe Aabenraa - Vejle stand auf dem Programm. Da Aabenraa an einem Fjord liegt, mussten wir gleich nach dem Verlassen der Stadt aufsteigen. Ideal, um warm zu werden, aber weniger schön, wenn Robberts Achillessehnen gleich wieder mitspielen. Das wird ein weiterer langer Tag im Sattel, was das betrifft.
Apropos warm... wie viel Glück wir doch wieder mit dem Wetter haben! Ein klarer blauer Himmel und eine angenehme Temperatur. Unterwegs haben wir uns ein paar Mal gefragt, wie wir die Reise erleben würden, wenn es viel regnen würde. Zum Glück war das nicht der Fall. Danke an den Wettergott!

Route abkürzen

Die Route, die wir ursprünglich geplant hatten, war von Maarten bereits um 06:00 Uhr morgens etwas zu unseren Gunsten angepasst worden: weniger Kilometer, dafür etwas weniger Schotter. Die Abschnitte, die wir mitgenommen haben, waren jedoch atemberaubend schön. Wenn es einen Schotterhimmel gibt, dann ist Dänemark zumindest das Tor dazu: grober Schotter, weite Aussichten und durchgehend hügelig. Wahnsinn! Aber auch die asphaltierten Abschnitte sind nicht schlecht. Der Asphalt in Dänemark ist von guter Qualität. Soweit wir wissen, trauen sich die Organisatoren der Tour de France, ihn hier zu benutzen. drei Tage bis zum Rennen. In Vejen (nicht zu verwechseln mit unserem Tagesziel Vejle) beschlossen wir, einen Kaffeestopp einzulegen und etwas zu essen.

Gemeinsam unterwegs, gemeinsam zu Hause

Es gab den kurzen Vorschlag, getrennt weiterzuradeln, da Robberts Achillessehnen ziemlich weh taten. Aber das Credo "gemeinsam raus, gemeinsam heim" war unantastbar. Auch diese Etappe werden wir gemeinsam bewältigen! Immerhin sind es noch 40 km bis Vejle, dem heutigen Zielort. Das erste Stück nach der Kaffeepause haben wir auch den Wind voll auf unserer Seite. Die Kilometer vergehen wie von selbst (OK, fast wie von selbst). Es läuft sogar so gut, dass unser Selbstvertrauen überhand nimmt. Wir beschließen sogar, einen kleinen Umweg über einen zu schönen Schotterstreifen zu machen, den wir uns nicht entgehen lassen können. Vejle ist nun in Sicht. Auch diese Stadt liegt an einem Fjord, und so geht es die letzten 3/4 Kilometer vor dem Zentrum nonstop bergab. Nach 113 Kilometern rollen wir zufrieden auf das Hotel Cabinn zu. Morgen ist schon der letzte Tag! 

Tag 6: Vejle - Aars (146 Kilometer)

"Der letzte Tag"
Wir starteten im Zentrum von Vejle, das sich bereits auf die Ankunft der Tour de France und den damit verbundenen Zirkus vorbereitete. Mit dem Fahrrad durch eine Stadt zu fahren, war uns inzwischen ziemlich vertraut. Ampel hier, Ampel da, schnelles Überqueren und Aufpassen dort. Das Manövrieren im Verkehr und in einer dänischen Stadt war für uns zur zweiten Natur geworden. 
Vejle liegt an einem Fjord, da weiß man eines ganz sicher: Es wird in nicht allzu langer Zeit bergauf gehen. Der Aufstieg, der uns aus dem Fjord herausführte, war kurz, aber heftig. Ein bösartiger Anstieg entlang steiler Wände, an denen man eine rührselige Menge von Radsportfans sehen möchte, wenn die Tour de France vorbeifährt, brachte die Waden auf Spannung.
Den Rest des Tages bekommen wir den Wind von vorne, und da wir auf dem Plateau fahren, müssen wir regelmäßig leiden. Windstärke 3 ist überschaubar, aber nach so vielen Tagen ist ein Rückenwind auch schön. Leider ist das auf den ersten 120 km nicht der Fall. 
Die Route führte uns über stark befahrene Straßen (Nationalstraßen), auf denen man offenbar mit dem Fahrrad fahren durfte, und über großartige asphaltierte Radwege. Von Vejle fuhren wir nach Silkeborg, wo wir die Brotabteilung des örtlichen Supermarkts plünderten. Dann fuhren wir durch eine hügelige Landschaft zwischen Wäldern nach Kjellerup und Viborg mit einem weiteren kurzen Halt an einer Tankstelle. 

Nachdem wir Viborg verlassen hatten, begann das große Vergnügen. Himmerland lag vor uns. Schöne Schotterwege durch ebenso schöne Natur. Wälder, Wasser, Schilf, was es nicht alles gab. Das Himmerland ist ein Ort, an den wir auf jeden Fall zurückkehren werden. Die Schotterstrecke, die wir dort vorfanden, war sage und schreibe zweiundzwanzig Kilometer lang! Sie ließ uns den Gegenwind vergessen, aber auch das Essen. Nach einer roten Prämie wurden die letzten 15 Kilometer ruhig ausgefahren, und plötzlich sahen wir auf einer kleinen Anhöhe Aars vor uns.

Ultimo Chilometro

Nur noch 2 Kilometer bis zum Ortsschild "Aars", wo wir natürlich für ein Beweisfoto anhalten mussten. Was für eine verrückte Idee: Sechs Tage zuvor haben wir unsere Reise voller Enthusiasmus begonnen, und plötzlich ist sie zu Ende. Wir sind an unserem Endziel angekommen.
Das erste, was wir tun, nachdem wir im Hotel (wahrscheinlich auch das einzige in Aars) angekommen sind, ist, ein Bier an der Bar zu bestellen. Auf Anraten des Rezeptionisten/Barkeepers/Kellners entscheiden wir uns für ein spezielles Bier einer lokalen Brauerei. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass es umgerechnet auch zehn Euro kostet, aber das ist uns in diesem Moment egal. Das ist ein Abenteuer, das wir nie vergessen werden.

Tag 7: 1TP5Zugleben

Støvring - Nijverdal

Es war ein bisschen wie ein Wechsel: Sechs Tage Radfahren, hauptsächlich in der Natur und zu zweit, mit nur einem kurzen Abendessen in einem Restaurant. Ein langer Tag in überfüllten Zügen war etwas gewöhnungsbedürftig. Von Støvring bis Aarhus verlief die Heimreise noch genau nach Plan. Von da an waren wir ständig im Rückstand. In Århus saßen wir bereits im Zug, als wir wieder aussteigen mussten. Vor Ort wird jedoch der gleiche Zug umgeleitet und wir können trotzdem einsteigen und bis Hamburg sitzen bleiben. Der Zug wird voller und voller. Die ältere Dame aus der Ukraine mit allem, was ihr geblieben ist (drei Taschen und ein Vogel in einem kleinen Käfig), steht in krassem Gegensatz zu zwei Menschen aus der Tschechischen Republik und ihren Luxuspferden aus Kohlefaser, die zum Vergnügen für sechs Tage aus ihrer Heimat geflüchtet sind... Man sollte sich nicht zu lange damit aufhalten, aber das Bild ist uns im Gedächtnis geblieben.

Verzögerung

Auch an der Grenze zu Deutschland gibt es eine kleine Verzögerung: Die deutsche Grenzpolizei steigt in den Zug ein und kontrolliert jeden Fahrgast. Von da an müssen wir auch wieder einen Mundschutz tragen, bis wir niederländisches Gebiet betreten.
Der Zug von Hamburg nach Münster hatte eine Verspätung von 20 Minuten, aber wir verpassten unseren Anschluss. Das führte sofort dazu, dass Enschede unser Endziel war. Den Zug nach Nijverdal würden wir nie erreichen. Zum Glück war Maartens kleiner Bruder bereit, uns in Enschede abzuholen und nach Hause zu fahren... Nach mehr als 14 Stunden Zugfahrt waren wir um ein Uhr nachts wieder zu Hause. Ein Tag im Zug fühlt sich schwerer an als 150 Kilometer Gegenwind.

Unvergesslich!

Unsere Fahrt von Rectum nach Aars fällt in die Kategorie: Ein unvergessliches Erlebnis und eine tolle Geschichte zu Geburtstagen. Deutschland war wunderschön mit den langen Schotterpisten durch Wälder mit unzähligen Jagdhütten. Die unverwechselbare Landschaft voller Windmühlen und markanter Dörfer. Auch die Durchquerung von Bremen und Hamburg war ein schönes Erlebnis.
Dänemark hat uns wirklich überrascht. Ein wunderschönes Land mit einer sehr abwechslungsreichen Landschaft. Hügelige, gelbe Rapsfelder, schöne Orte und einfach gut gepflegt. Die Straßen sind perfekt und der Verkehr, abgesehen von den großen Hauptstraßen, ist wunderbar verkehrsfrei. Und dann dieser Schotter... Wenn es einen Schotterhimmel gibt, dann muss Dänemark fast das Tor dazu sein. Wir hätten auf unserer Reise noch so viele Schotterpisten mitnehmen können, aber dann hätten wir die Tagesstrecken verkürzen müssen. Wenn Sie auf der Suche nach einem zukünftigen Reiseziel zum Radfahren sind - und sei es zum Radfahren oder zum Schottern - dann ist Dänemark eine absolute Option! Unterwegs haben wir sehr gut verstanden, warum die Organisatoren der Tour de France dieses Land als Austragungsort für den Grand Départ ausgewählt haben.

Höhepunkte

Das ist zweifelsohne der Tipp von Bas Overbeek vom Detour-Studio: Versuchen Sie, zumindest täglich einen kleinen Umweg zu machen, denn dann sehen Sie die schönsten Dinge. Und wie recht Bas in dieser Hinsicht hatte. Manchmal sahen wir links oder rechts einen schönen Schotterstreifen und dann schauten wir uns an und beschlossen, die Chance zu nutzen. Maarten's Wahoo oder Robbert's Hammerhead wiesen uns dann problemlos den Weg zurück zur geplanten Route.

Den Traum leben. Essen, schlafen, radeln, wiederholen.

Für die Herren Pedaleure war die Reise auch das erste Mal, dass sie mehrere Tage zusammen verbringen würden. Das ist schon etwas anderes, als alle zwei Wochen einen Podcast aufzunehmen und untereinander ein bisschen zu applizieren und zu telefonieren. Gemeinsam haben wir uns auf das Abenteuer eingelassen. Wir lebten buchstäblich den Traum: essen, schlafen, radeln, wiederholen. Nichts tun zu müssen, als von A nach B zu radeln und die Dinge auf dem Weg zu genießen. So einfach es auch klingt, der mentale Aspekt spielt bei einer solchen Reise eine große Rolle, und die sechs Tage auf der Straße waren eine ziemliche Achterbahnfahrt. In dem Moment, in dem es einem von uns schlecht ging, war der andere mit einer kleinen Aufmunterung zur Stelle. Auch das Vermissen der Familie spielte im Laufe der Tage eine immer größere Rolle.
Intensives Zusammensein bedeutet auch, dass man sich besser kennenlernt und Unterschiede zutage treten. Martin entpuppte sich als der Mann der Stunde, der Mann mit einem Ziel. Und dieses Ziel muss erreicht werden. Robbert hingegen ist nicht so schnell zu betonen: Was machen diese fünf Minuten mehr aus, wenn man nichts anderes zu tun hat? Nimm die Pause, schau dich um, genieße. In einem Restaurant in Vejle hatten wir ein wunderbares Gespräch über Transaktionsanalyse, die Art und Weise, wie wir aufgewachsen sind, was das für uns bedeutet, Vaterschaft und unsere Lebenseinstellung. Nicht die Art von Material, die man auf einer Radtour erwartet, aber unglaublich wertvoll!

2/2/800/6/1

Zwei Tukker, zwei Grizls, achthundert Kilometer, sechs Tage Radfahren, ein Tag Zugleben und ein Rucksack voller Geschichten, die wir im Podcast erzählen. Wir haben es genossen! Es hat unser Fernweh gesteigert und die Hygge gestärkt. Eines ist sicher: Wir werden auf jeden Fall wieder zum Radfahren nach Dänemark kommen! (Ob wir wieder nach Dänemark radeln werden, ist eine andere Frage).

Mojn!

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